Cape Canaveral

[Laut Wikipedia leitet sich der Name von canaveral, Spanisch für Röhricht / Schilf her]

Wenn man schon mal in der Nähe ist, ist ein Besuch des Cape Canaveral Pflicht. Wir übernachteten auf dem etwa 50 km entfernten Long Point County Campground, so dass sich die Fahrt dorthin als Tagestour anbot.

Wir begannen unseren Besuch mit der Busrundfahrt über das Gelände hin zur Apollo / Saturn-Ausstellungshalle. Die Busfahrerin wies uns darauf hin, dass die NASA eigentlich nur 10% des riesigen Geländes für ihre Zwecke nutzt, die brach und ungenutzt liegenden 90% sind ein großes, gut bewachtes Tier- und Pflanzenschutzgebiet. Sie war offensichtlich recht tieraffin, kannte sich sehr gut aus und lenkte unsere Aufmerksamkeit immer wieder auf interessante Tiere hin. Auf dem Weg sahen wir mehrere Alligatoren, (die Fahrerin witzelte, „dies sind weitere security agents für das Gelände“, bei einer Größe von mehr als 2 Metern würde sie nicht versuchen, über den Zaun zu klettern). Am Straßenrand sahen wir  sie einen Spoon bill (Löffler) und sie erzählte von mehreren Adlerhorsten auf dem Gelände.

Außerdem erfuhren wir, dass am Launchpad 36a, an dem wir gerade vorbeifuhren, an diesem Morgen eine Rakete von SpaceX gestartet wurde. Wir haben uns schon am Eingang über den Andrang gewundert, aber solch ein Start lockt natürlich Besucher an. Eine VIP-Tribüne,  jetzt völlig menschenleer, der Startturm und das Transportraupenfahrzeug für die Rakete konnten wir im Vorbeifahren erkennen. Obwohl diese Rakete deutlich kleiner als die Saturn 5 des Apolloprogramm  war, erschien uns die Raupe riesig.

Dann kam das Gebäude in Sicht, indem die Saturnraketen zusammen montiert wurden. Es ist im Vergleich zu heutigen Wolkenkratzern nicht rekordverdächtig hoch, doch wo findet man eine Halle mit 54 Stockwerken freier Höhe –  sicherlich nicht in den erwähnten Wolkenkratzern. Beeindruckend auch die 4 gigantischen Tore. Diese waren teleskopiert, größenteils zum Hochziehen. Sie werden in dieser Form gebraucht, um die fertig montierte Rakete mit einer Raupenplattform aus der Halle zum Startplatz fahren zu können – mit 1m/h.

Außen an der Halle – wie kann es anders sein – ein Sternenbanner, das 21 Stockwerke hoch ist, jeder der Sterne misst 6 yards (5,5m!) im Durchmesser. Die 4 Stationen in der Halle braucht es, wenn man bedenkt, dass es bis zu 3 Jahren dauern kann, bis der Aufbau einer Rakete abgeschlossen ist. Die Raupenfahrzeuge transportieren die Rakete auf Wegen, die mit Kies bestreut sind. Hier kommt eine spezielle Kiessorte mit besonders runden Kieselsteinen (nur aus Alabama!) zum Einsatz, um das Gewicht bestmöglich zu verteilen.Durch das riesige Gewicht der ganzen Anordnung waren von dem heutigen Start noch deutliche Fahrspuren in dem Kies eingedrückt.

Die weitere Rundfahrt führte auch zum Launchpad 36B das für das für 2018 geplante Programm neuer Raumtransporter  vorgesehen ist. Der Nachfolger des Spaceshuttle – Dragon V2 – soll die Erforschung des Weltalls mit einem neuen Teleskop und einer Mondstation vorantreiben. Die NASA hat auch den Mars als Ziel bemannter Missionen im Blick, aber eine bemannte Mondstation wird dafür als wichtiger technologischer Zwischenschritt und potentieller logistischer Ausgangspunkt gesehen. An dem Launchpad fielen die  die hohen Masten ins Auge, die dort errichtet wurden; sie dienen der Kommunikation und werden gebraucht um den Blitzschutz sicherzustellen.

Schließlich endete die Busfahrt an der Apollo/Saturn-V-Halle. Dramaturgie von Attraktionen ist häufig ähnlich aufgebaut: ein Eingangsbereich mit Filmvorführung stimmt die Besucher ein, dann öffnet sich ein dunkler Durchgang zum eigentlichen Verehrungsgegenstand, der immer sehr gut erläutert und mit vielerlei zusätzlichen Medien und Details erschlossen wird. Hier diente als Einstimmung die Rede von Präsident J.F. Kennedy, in der er – nach den anfänglichen Raumfahrterfolgen der Sowjetunion – die Mondlandung zum Ziel der amerikanischen Aufhol- und Überholanstrengung erklärte.

Danach betritt man eine Halle, in der eine Original Saturn-V Rakete zu bewundern ist. Diese war als Ersatz geplant und aufgebaut worden, kam aber nie zum Einsatz. Die riesigen Dimensionen sind sehr beeindruckend. Aufbau, Struktur und Aufgabe der drei Raketenstufen werden genau erläutert, auch Treibstoffe und die erzielten Schubwerte sind zu finden. Besonders der Größenvergleich zwischen den abgeworfenen Raketenstufen und der Rückkehrkapsel für die drei Astronauten – winzig im Vergleich – war aufschlussreich.

In einer kleinen Halle wird an die drei Astronauten, die beim Brand der Apollo I Kapsel noch vor dem eigentlichen Start ums Leben kamen, erinnert. Mit den Informationen über eine volle Ladung flüssigem Sauerstoff und Raketentreibstoff mag man sich ein Feuer an Bord nicht vorstellen.

Ergänzt wird die Ausstellung mit hübschen Details wie eine Wand mit internationalen Zeitungs-Frontseiten zur Mondlandung. (Bild machte den Mond zum Ami). Außerdem sieht man, wie mitgenommen eine Kapsel nach ihrer Rückkehr aus dem Weltraum durch die Erdatmosphäre aussieht.

Man kann Raumanzüge der damals aktuellen Generation ansehen oder auch ein Stück originales Mondgestein (ca. 3,7 Milliarden Jahre alt) berühren. Der Originalkontrollraum mit Techniker Konsolen und allem Drum und Dran – Countdown inklusive – wird mit Videos vom Startprozess sehr nachvollziehbar in Szene gesetzt.

Ein Giftshop rundet das Ganze ab, angefüllt mit z.B Raumanzugnachbildungen, key chains und ähnlichem. Zum Verkauf steht auch ein großes Buch von der NASA, das ausführlichst die Vorgeschichte der Saturn-Rakete schildert.

Was dabei überrascht hat, war wie „knallhart“ die Peenemünde-Vorgeschichte und die V2-Abstammung dabei (mehrere Seiten, mit Bild eines V2-Einschlags im Großraum London in WWII mit mehr als 100 Toten, mit Bild von Wernher von Braun in Naziuniform) kritiklos geschildert wurde.

Die Rückfahrt zum Kennedy-Spacecenter ist kurz. Dort findet man das erst in den letzten Jahren neu errichtete Atlantis-Zentrum, das an das Spaceshuttle-Programm erinnern soll und die Original Atlantis ausstellt. Zur Einstimmung (siehe vorne!) wird in einer kurzen Filmsequenz der Besucher mit  den zu lösenden Probleme konfrontiert. Ein Balsaholzmodell schwebt herab, man erfährt wie schwierig es war Wiederverwendbarkeit, Gewichtsersparnis und Materialanforderungen unter einen Hut zu bekommen. Man sieht das Team in Aktion (mit Frauen dabei, als deutliches Zeichen, dass die Zeit auch bei der NASA nicht stehengeblieben ist).

Danach öffnet sich der Zugang zur einer großen Halle, in der die Raumfähre Atlantis mit offener Luke – wie im Flug – zu sehen ist. Auf zwei Ebenen befinden sich viele Monitore, auf denen die Komponenten der Fähre benannt werden und man sich zusätzliche Erläuterungen abrufen kann.

Dann kommt man auf dem Rundgang an mehreren Stationen vorbei, wo Besucher z.B. selber mit dem Greifarm Gegenstände aus der Luke nach draußen befördern sollen, dabei kann man bei der Steuerung der 4 Gelenke und der Armausrichtung  die Schwierigkeit selbst ein bisschen nachvollziehen.

Ein lustiges Highlight war die Simulation eines Shuttlestartes. Über eine Rampe, die der originalen Ausgestaltung eines Raketenstartturmes nachempfunden war, ging es zum Einstieg in das „Shuttle“. Dabei konnte man auf Videomonitoren viele Piloten und andere Teilnehmer des Shuttleprogramms erleben, wie sie heute aussehen und was sie zur Simulation zu sagen haben. So baute sich etwas wie Erwartung und Vorfreude auf: im Sitzen gut festgehalten durch Sicherheitsgurte wurden wir dann gekippt und gut durchgeschüttelt- eine lustige Erfahrung, die vermutlich mit der echten Herausforderung kaum etwas zu tun hat.

Gegen Spätnachmittag begaben wir uns zu unserem Auto zurück, nicht ohne nochmal zu lesen, dass durch unsere Parkgebühren und Eintrittsgelder diese Verehrung für die NASA-Helden unserer Jugend ganz ohne Geld vom Taxpayer auskommt.

© Jürgen Rasch-Menges